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Die formalen Regeln der intuitionistischen Logik. I, II, III. (German) JFM 56.0823.01

Verf. entwickelt hier ein formales System der intuitionistischen Logik. Dabei ist er sich von vornherein darüber klar, daß er mit dem Aufbau eines solchen Formelsystems dem Wesen der intuitionistischen Mathematik insofern nicht gerecht wird, als ja die intuitionistische Mathematik kein Formelsystem, überhaupt keine Sprachtätigkeit ist, sondern eine Denktätigkeit oder besser noch ein Lebensakt etwa von der Art einer Bergbesteigung, bei der man sich doch auch nicht von vornherein auf bestimmte Besteigungsregeln festlegt (siehe L. E. J. Brouwer; Monatshefte 36 (1929), 153-164; F. d. M. \(55_{\text{I}}\), 28). Das vom Verf. aufgebaute System ist demnach, um im Bilde zu bleiben, ein System von Verhaltungsmaßregeln bei Bergbesteigungen, das jedoch zu nichts verpflichtet, und das ebensowenig den Begriff der Bergbesteigung implizit definiert, sondern erst sinnvoll wird, wenn man den sprachlichen Anweisungen sinnvolle Lebensäußerungen unterlegt.
Teil I der vorliegenden Arbeit behandelt den Aussagenkalkül, Teil II den Funktionenkalkül und die Theorie der natürlichen Zahlen; Teil III führt in die eigentliche intuitionistische Mathematik hinein, denn dort werden die Wahlfolge, die Menge und die Spezies erklärt (siehe L. E. J. Brouwer; Math. Ann. 93 (1925), 244-267. F. d. M. 51, 164 (JFM 51.0164.*)). Dieser Teil ist daher der wesentlichste der Arbeit. Ganz unabhängig von dem entwickelten formalistischen System kommt ihm eine große Bedeutung zu; einmal weil hier die Grundbegriffe der intuitionistischen Mathematik mit einer Klarheit entwickelt werden, deren nur die formale Sprache fähig ist; zum andern, weil nicht häufig genug betont werden kann, daß sich der Intuitionismus nicht in einer Negation des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten erschöpft.
Teil I: § 1 enthält die Operationsregeln des Aussagenkalküls, d. h. die Regeln, nach denen man aus richtigen Formeln (Zeichen \(\vdash\)) richtige Formeln herstellt, ausgehend von den Axiomen (\(\vdash\vdash\)); zu diesen Regeln gehört der Syllogismus (\(\supset\)) und die Definition (\(\overline{\overline{D}}\)). § 2 bringt die Axiome und wichtigsten Sätze für \(\supset\), \(\wedge\) (und), \(\overline{\overline{D}}\) und einige andere Konstanten. In § 3 kommt die Konstante \(\vee\) (oder), in § 4 die Konstante \(\neg\) (nicht) hinzu. Anhangsweise wird im Anschluß an Bernays die Unabhängigkeit der Axiome bewiesen, insbesondere die Unbeweisbarkeit des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten.
Teil II: Verf. schließt sich an Hilbert-Ackermann an; jedoch sind hier die Abweichungen vom Herkömmlichen stärker als im Teil I. Aus dem Intuitionismus ergibt sich die Notwendigkeit, wie im ersten Teil, den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, so hier die Verknüpfung zwischen (\(x\)) und (\(Ex\)) (alle und es gibt), wegzulassen. Darüber hinaus macht Verf. keinen Unterschied zwischen Aussagen- und Funktionsvariabeln und behandelt bereits konstante Aussagen immer als konstante Funktionen. Schließlich führt er das Zeichen \(\dbinom{p}{x} a\) (das, was aus \(a\) beim Ersetzen der Variablen \(x\) durch die Zeichezusammenstellung \(p\) entsteht) ein. § 5 enthält wieder die Operationsregeln, d. h. die Regeln, nach denen man aus Ausdrücken herstellt, ausgehend von den richtigen Formeln. Hier treten außer den logischen Zeichen die Zeichen (\(x\)), (\(Ex\)), \(\dbinom{p}{x}\), \(\overline{\equiv}\) (ist dasselbe Ding wie) auf. In § 6 werden Axiome und Sätze des Aussagenkalküls entwickelt, in § 7 werden Zeichen für Beziehungen zwischen Gegenständen eingeführt: \(\varepsilon\) (ist ein), ’ (x’p, das \(x\) von \(p\)). § 8 und 9 existieren nicht, § 10 enthält die Theorie der natürlichen Zahlen aus den Peanoschen Axiomen.
Teil III: § 11 bringt vorbereitende Bemerkungen, in § 12 wird das Wählzeichen \(\sigma p\tau q\) (aus der Spezies \(q\) wird das Element \(p\) ausgewählt) eingeführt. Die Spezies der erlaubten Wahlen ist jedoch bereits in § 11 definiert (Bezeichnung \(L\)). Verf. formuliert dort auch in der gewöhnlichen Sprache die Brouwersche Definition: (1) Jede endliche Zahlenfolge gehört oder gehört nicht zu \(L\); (2) \(L\) enthält zu jedem seiner Elemente wenigstens eine Fortsetzung; (3) jedes Element von \(L\), das mehr als eine Zahl enthält, ist unmittelbare Fortsetzung eines Elementes von \(L\). An diese Definition könnte die Mengendefinition (§ 13) unmittelbar anknüpfen; zur Definition des Mengenelements (§ 13) ist aber das. Wahlzeichen (§ 12) nötig. In § 13 werden ferner für Mengen und Elemente die Begriffe \(\overline{\equiv}\) (siehe unser Referat Teil II) und \(\equiv\) (mathematische Identität, die jeweils von Neuem zu definieren ist) erklärt. Im Anschluß an eine Mitteilung von Brouwer wird die Mengenspezies eingeführt und damit eine Definition der Begriffe Spezies und Identität von Spezies ermöglicht, die einen der ursprünglichen Brouwerschen Definition anhaftenden Mangel vermeidet. In § 16 werden für Spezies Begriffe wie Herausragen, Kongruenz, Elementefremdheit definiert und auf diese Begriffe bezügliche Sätze bewiesen.

Citations:

JFM 51.0164.*
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