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Theory of functions on complex manifolds. Licensed ed. (English) Zbl 0573.32001

Monographs in Mathematics, Vol. 79. Basel - Boston - Stuttgart: Birkhäuser Verlag. 226 p. DM 79.00 (Orig. Akademie-Verlag, Berlin 1983) (1984).
Zum Aufbau der Theorie Steinscher Mannigfaltigkeiten standen bisher zwei Methoden zur Verfügung:
1. Potenzreihenkalkül, analytische Garbentheorie und Kohomologietheorie.
2. Untersuchung der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen mittels a-priori-Abschätzungen.
Der Aufbau nach der ersten Methode geht auf die klassischen Untersuchungen von K. Oka, H. Cartan, J. P. Serre, K. Stein, H. Grauert und R. Remmert zurück und ist im Grundlehrenband ”Theorie der Steinschen Räume” (1977; Zbl 0379.32001; engl. Übersetzung 1979; Zbl 0433.32007) von H. Grauert und R. Remmert ausführlich dargestellt. Die zweite Methode beruht auf Untersuchungen von J. Kohn und L. Hörmander und liegt L. Hörmander’s Lehrbuch ”An introduction to complex analysis in several variables” (1973; Zbl 0271.32001) zugrunde.
Das vorliegende Werk eröffnet einen dritten Zugang zur Stein-Theorie: Untersuchung holomorpher Funktionen und der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen mittels geeigneter Integraldarstellungen. Ideen hierzu finden sich schon bei K. Oka, A. Weil, St. Bergman sowie H. Behnke und K. Stein, doch sind die entscheidenden Fortschritte in dieser Richtung erst seit ca. 1969 erzielt worden, wobei die Untersuchungen des erstgenannten Verfassers eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Die Autoren gehen folgendermaßen vor: 1. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen \({\bar \partial}u=f\) werden auf streng konvexen Gebieten durch einen expliziten Integraloperator \(u=Tf\) so gelöst, daß eine Hölder-Abschätzung \(| Tf|_{C^{1/2}}\leq const | f|_{C^ 0}\) besteht. - 2. Da streng pseudokonvexe Gebiete lokal biholomorph äquivalent zu streng konvexen Gebieten sind, ergibt sich aus der Fredholm-Theorie dann leicht die Endlichkeitsaussage \(\dim_{{\mathbb{C}}}H^ q(G,{\mathcal O})<\infty\), \(q\geq 1\), für G streng pseudokonvex in einer komplexen Mannigfaltigkeit - und daraus die wohl einfachste Lösung des Levischen Problems. - 3. Es ist dann nicht mehr sehr schwer, für streng pseudokonvexe Gebiete im \({\mathbb{C}}^ n\) das Verschwinden der Kohomologie nachzuweisen. - 4. Mit diesen Ergebnissen läßt sich die Khenkin-Ramirezsche Integralformel für streng pseudokonvexe Gebiete des Zahlenraumes aufstellen, wobei allerdings der Beweis des benötigten Oka-Heferschen Zerlegungssatzes noch unangenehme funktionalanalytische Betrachtungen erfordert. - 5. Als Anwendungen erhält man explizite Hölder-stetige Lösungen der \({\bar \partial}\)- Gleichung im streng pseudokonvexen Fall und einen Beweis des Rungeschen Approximationssatzes, der den klassischen Beweis mittels der Cauchyschen Integralformel auf höhere Dimensionen überträgt. - 6. Das Verschwinden der Kohomologiegruppen \(H^ q(X,{\mathcal O})=0\), \(q\geq 1\), auf einer Steinschen Mannigfaltigkeit X wird dann mittels Ausschöpfung von X durch streng pseudokonvexe Gebiete, die Rungesch ineinanderliegen, und geeignete Lokalisierung des Problems nachgewiesen.
Diese Ausführungen geben im wesentlichen den Inhalt des zweiten Kapitels des vorliegenden Werkes wieder; es sei noch über die restlichen Kapitel berichtet.
Kapitel 1 ist der elementaren Funktionentheorie im \({\mathbb{C}}^ n\) und dem Formalismus der Integraldarstellungen von Differentialformen gewidmet. - In Kapitel 3 werden nicht notwendig glatt berandete streng pseudokonvexe Mengen im \({\mathbb{C}}^ n\) untersucht, also Punktmengen, die durch eine Ungleichung \(\{\) \(z: \phi\) (z)\(\leq 0\}\) gegeben werden, wobei \(\phi\) streng plurisubharmonisch ist, aber der Gradient von \(\phi\) evtl. in den Nullstellen von \(\phi\) verschwinden kann. Diese Klasse umfaßt einerseits die glatt berandeten streng pseudokonvexen Gebiete mit ihrem Rand, andererseits die Nullstellenmengen nicht negativer streng plurisubharmonischer Funktionen - nicht aber beispielsweise den Durchschnitt zweier Kugeln. Hauptergebnisse sind Sätze über gleichmäßige Approximation (Analoga der Sätze von Mergelyan und Vitushkin) und Ergebnisse über beschränkte Fortsetzbarkeit holomorpher Funktionen von analytischen Teilmengen aus. - Das letzte Kapitel überträgt diese Ergebnisse auf streng pseudokonvexe Teilgebiete Steinscher Mannigfaltigkeiten; insbesondere enthält dieses Kapitel die von den Autoren aufgestellte Ramirez-Khenkin-Formel auf Mannigfaltigkeiten. In diesem Kapitel als einzigem werden garbentheoretische Hilfsmittel (Theorem B) ohne Beweis herangezogen.
Die in diesem Bericht skizzierten Methoden zum Aufbau der Theorie Steinscher Mannigfaltigkeiten liefern alle eine Lösung des Levi- Problems - etwa in Form der Äquivalenz: X ist Steinsch genau dann, wenn X eine streng plurisubharmonische Ausschöpfungsfunktion besitzt. Darüberhinaus liefern sie Theorem B und den Grauertschen Endlichkeitssatz für lokal freie Garben. Jenseits dieses gemeinsamen Bereiches unterscheiden sie sich aber beträchtlich:
1. Die garbentheoretischen Methoden [s. H. Grauert und R. Remmert (loc. cit.)] verallgemeinern sich auf komplexe Räume und kohärente (nicht unbedingt lokal freie) Garben und führen zur Lösung der klassischen funktionentheoretischen Probleme (Cousin I und II/ Poincaré) in diesen Räumen. 2. Die Methoden der partiellen Differentialgleichungen [s. L. Hörmander (loc. cit.)] sind auf Mannigfaltigkeiten beschränkt, liefern in diesem Fall aber zusätzlich quantitative Aussagen in \(L^ 2\)-Normen, Aussagen, die sich garbentheoretisch nicht oder noch nicht erzielen lassen. 3. Die Technik der Integraldarstellungen, die dem hier besprochenen Werk zugrundeliegt, führt im Fall streng pseudokonvexer Gebiete zu den mit Abstand präzisesten Ergebnissen, die mit den früheren Techniken wohl nicht erzielt werden können; doch ist die Verallgemeinerung auf Mannigfaltigkeiten schwieriger als bei den ersten beiden Methoden; die Ausdehnung der Resultate auf komplexe Räume ist zwar denkbar, bleibt aber vorläufig noch völlig offen.
Abschließend einiges an eher formaler Kritik: Das Buch ist überaus sorgfältig geschrieben; die Darstellung ist knapp, aber vollständig. Nirgends verfallen die Autoren in die Unsitte, ”den Beweis dem Leser zur Übung zu überlassen”: sie tun ihre Arbeit selbst (der Leser hat auch so genug zu tun). Die Übungen und die zum Teil ungelösten Probleme sind vom Haupttext sorgfältig getrennt; sie verdienen in der Regel großes Interesse und haben in neuester Zeit zu interessanten Publikationen verschiedener Autoren geführt. Sehr ausgewogen sind die kommentierten Bibliographien zu den einzelnen Kapiteln: im Rahmen des Möglichen würdigen die Autoren hier die für das Buch relevanten Beiträge der verschiedenen funktionentheoretischen Schulen.
Die Stoffabgrenzung ergibt sich aus der verwandten Methode: Integraldarstellungen, \({\bar \partial}\)-Problem und streng plurisubharmonische Funktionen sind die zentralen Techniken; Ergebnisse, die nicht oder nur sehr aufwendig mit diesen Methoden erreichbar sind, bleiben (legitimerweise) außer Betracht. Einige klassische Aussagen der Steinschen Theorie fehlen dementsprechend in diesem Buch, sogar für Gebiete des \({\mathbb{C}}^ n:\) etwa das Cousin II-Problem oder die Fortsetzung holomorpher Funktionen ohne Wachstumseinschränkungen. Der größte Teil des Materials ist bisher nicht in Buchform (geschweige denn als Lehrbuch) zugänglich.
Das zentrale zweite Kapitel (zusammen mit dem vorbereitenden ersten) scheint mir Grundlage eines möglichen funktionentheoretischen Standardkurses für die kommenden Jahre zu sein; die Kapitel 3 und 4 spiegeln stärker aktuelle Forschungsinteressen der Autoren wider, und ihre Rolle im Rahmen der Theorie Steinscher Mannigfaltigkeiten erscheint weniger klar.
Mein einziger Einwand: der Titel ”Theory of functions on complex manifolds” ist in beinahe schon ärgerlicher Weise irreführend. In der Tat ist ein Buch, welches diesem Titel gerecht werden sollte, wohl kaum zu schreiben.
Reviewer: I.Lieb

MSC:

32-02 Research exposition (monographs, survey articles) pertaining to several complex variables and analytic spaces
32E10 Stein spaces
32A25 Integral representations; canonical kernels (Szegő, Bergman, etc.)
32L05 Holomorphic bundles and generalizations
32T99 Pseudoconvex domains
32U05 Plurisubharmonic functions and generalizations
32W05 \(\overline\partial\) and \(\overline\partial\)-Neumann operators
32L20 Vanishing theorems