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Geometric algebra. (English) Zbl 0077.02101

Interscience Tracts in Pure and Applied Mathematics. No. 3. New York-London: Interscience Publishers Ltd. x, 214 p. (1957).
Dieses schöne Buch ist aus Vorlesungen des Verf. hervorgegangen. Es ist entsprechend breit und frei von Pedanterie geschrieben: man spürt auf jeder Seite die Freude, die es dem Verf. bereitet hat, seinen Studenten von diesen schönen Dingen zu erzählen; man glaubt, daß sich diese Freude an der geometrischen Algebra auf den Leser übertragen wird; man hofft, daß dieses Buch der geometrischen Algebra den ihr im Vorlesungsbetrieb zukommenden Platz wird erobern helfen.
Der Preis für all dies ist ein gelegentlicher Mangel an Konzentration, ist jenes merkwürdigste Phänomen: der mathematische Lehrsatz im Erzählerstil. Dafür werden einem auch mancherlei Leckerbissen ohne Rücksicht darauf vorgesetzt, ob sie später benötigt werden, nur weil sie den Verf. erfreut haben und den Leser erfreuen sollen. Methodisch ist das Ziel dieses Buches, dem Leerlauf des algebraischen Formalismus durch Heranziehen geometrischer Begriffe seinen natürlichen Sinn zu verleihen. Dies geschieht negativ durch kräftiges Aufzeigen der Sinnlosigkeit der leeren und angedeuteten Formel, Gleichung, Matrix, und positiv durch Aufweisen des geometrisch-begrifflichen Äquivalents für den unbegriffenen Formalismus, auch durch den Nachweis, daß es so nicht nur sinnvoll, sondern auch einfacher, verständlicher und kürzer wird.
Der Gegenstand, an dem diese methodischen Desiderata herausgearbeitet werden, kann kurz als Einführung in das Studium der geometrischen (oder klassischen) Gruppen umschrieben werden. In einem einleitenden Kapitel werden allerlei Dinge zusammengestellt, die im folgenden etwa benötigt werden könnten, ohne im systematischen Aufbau einen rechten Platz zu haben: einerseits solche fundamental wichtigen Begriffe wie reelle Körper, Dimension von Vektorräumen, ihre Dualität und Paarung; andererseits solche Dinge wie der Hauptsatz über die Jordanisomorphismen der (nicht notwendig kommutativen) Körper oder der Wedderburnsche Satz von der Kommutativität der endlichen Körper.
Das zweite Kapitel ist dem axiomatischen Aufbau der ,,affinen Geometrie” gewidmet. Als Grundbegriffe werden Punkte und Gerade, Inzidenz und Parallelismus gewählt: die Axiome bestehen, von trivialen Inzidenz- und Existenzforderungen abgesehen, in der Forderung der Existenz hinreichend vieler zweckmäßig ausgewählter Kollineationen. Diese Wahl von Grundbegriffen und Axiomen ist völlig auf den Beweis des Hauptsatzes ausgerichtet, der die wesentliche Identität der so beschriebenen Klasse affiner Räume mit der Klasse der Vektorgruppen über (nicht notwendig kommutativen) Körpern aussagt. Die Additionsgruppe des Vektorraumes ist natürlich nichts anderes als die Gruppe der Translationen, der Koordinatenkörper ein geeigneter Endomorphismenkörper der Translationsgruppe. Auf diese Weise ergibt sich eine natürliche und invariante Konstruktion insbesondere des Koordinatenkörpers.
Älteren Darstellungen fehlt oft diese Einsicht: der Konstruktionsprozeß hängt dort von allerlei – überflüssigen – Auswahlen von Grundpunkten ab. So ergibt sich ein sehr naturgemäßer Aufbau des algebraischen, um nicht zu sagen, gruppentheoretischen Teils des Grundlagenproblems – und es war gerade dieser Teil, der in den älteren Darstellungen so oft zerstückelt, ja gemordet wurde. Aber die eigentlichen geometrischen Probleme der Grundlagen der affinen Geometrie werden kaum gestreift: der Weg von den natürlichen Grundbegriffen des Unterraumes (oder des gleichwertigen Begriffs des kollinearen Punktetripels) zum Parallelismus und zur darauf fußenden Konstruktion der nötigen Kollineationen ist ebenso lang wie mühselig. Hier wäre es wohl am Platze gewesen, auf die vorhandenen Standardwerke, in denen sich eine befriedigende und erschöpfende Behandlung dieser Probleme findet, hinzuweisen. Für den zweidimensionalen Fall muß man [G. Pickert, Projektive Ebenen. Berlin etc.: Springer Verlag (1955; Zbl 0066.38707)] konsultieren, für den ganz anders gearteten höherdimensionalen Fall etwa [M. L. Dubreil-Jacotin, L. Lesieur and R. Croisot, Leçons sur la théorie des treillis, des structures algébriques ordonnées et des treillis géométriques. Paris: Gauthier-Villars (1953; Zbl 0051.26005)].
Am Rande sei noch bemerkt, daß das vom Verf. als offen bezeichnete Problem der Existenz nicht kommutativer Translationsgruppen von G. Pickert positiv gelöst wurde [Arch. Math. 3, 335–342 (1952; Zbl 0047.26404)].
Während das Studium der affinen Geometrie sich weitgehend durch solche im 1. Kapitel mitbehandelte Begriffe wie Rang-Korang und evtl. noch den des Doppelverhältnisses erschöpft, werden die verschiedenen Gruppen des affinen Raumes im zweiten Kapitel eingeführt: sie werden dort algebraisch charakterisiert als Faktorgruppen von Untergruppen der Gruppe der semilinearen Abbildungen. Das eigentliche Studium der linearen Gruppe wird dann im vierten Kapitel vorgenommen; es wird der Dieudonnésche Determinantenhomomorphismus auf die kommutativ gemachte Multiplikationsgruppe des Koordinatenkörpers konstruiert und sein Kern als die unimodulare Gruppe aufgewiesen.
Weiter wird der Hauptsatz über die Normalteiler der vollen linearen Gruppen bewiesen, der besagt, daß, von genau angegebenen Ausnahmen niedriger Dimensionen abgesehen, jede nicht im Zentrum gelegene von der unimodularen Gruppe normalisierte Untergruppe die unimodulare Gruppe enthält.
Als Geometrie wird allgemein ein affiner Raum mit ausgezeichneter Hermitescher Form definiert. Doch werden die Untersuchungen fast ausschließlich auf affine Räume über kommutativem Koordinatenkörper mit ausgezeichneter Bilinearform beschränkt. Schade, wir hätten so gern Artins Behandlung der allgemeinen Situation studiert. Das Programm ist ganz analog dem beim Aufbau der affinen Geometrie verfolgten. Zunächst Strukturanalyse der Geometrie (Wittscher Satz etc.) im Kapitel III, dann Untersuchung der zugehörigen Gruppen und ihrer Normalteiler im Kapitel V: die Resultate ähnlich, wenn auch nicht so vollständig (oder einfach) wie im Falle der affinen Geometrie.
Vieles ist neu in dem vorliegenden Werk. Oft sind die Voraussetzungen schwächer (z. B. die Postulate für algebraisch geordnete Körper), oft die Behauptungen schärfer und die Beweise einfacher als üblich. Unser Bericht ist unvollständig; denn wir hoffen, daß die Mathematiker, lernende wie lehrende, forschende wie kontemplative, das schöne Buch selber lesen werden.
Reviewer: Reinhold Baer

MSC:

51-02 Research exposition (monographs, survey articles) pertaining to geometry
15-02 Research exposition (monographs, survey articles) pertaining to linear algebra
11Exx Forms and linear algebraic groups
20G15 Linear algebraic groups over arbitrary fields