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Principia mathematica. Vol. III. (English) JFM 44.0068.01

Cambridge: University Press. X u. 491 S. \(8^\circ\) (1913).
Der erste Band ist F. d. M. 41, 83 (JFM 41.0083.*), 1910 besprochen worden, der zweite F. d. M. 43, 93 (JFM 43.0093.*), 1912. Der vorliegende Band enthält die in dem zweiten Band begonnene Theorie der Reihen (geordnete Mengen) und schreitet dann zu der Theorie des Messens fort. Die Verff. haben es für notwendig gefunden, die Geometrie einem besonderen Schlußbande. vorzubehalten. Der dritte Band beginnt mit einer Fortsetzung von Teil V über Reihen (geordnete Mengen), und der erste Abschnitt handelt von wohlgeordneten Reihen. Zugleich stoßen wir auf Verallgemeinerungen. Die Verff. nennen eine Beziehung im allgemeinen wohlgeordnet, wenn jede in ihrem Felde enthaltene vorkommende Klasse ein oder mehrere Minima hat. So ist eine wohlgeordnete Reihe eine solche, die eine wohlgeordnete Beziehung ist. Eine sehr wichtige Eigenschaft wohlgeordneter Reihen besteht darin, daß sie einer ausgedehnten Form mathematischer Induktion gehorchen, die “transfinite Induktion” genannt wird. Wenn \(\sigma\) eine solche Klasse ist, daß das nächste Element (wenn überhaupt eins) jeder in \(\sigma\) und in der Reihe enthaltenen Klasse ein Glied von \(\sigma\) ist, dann ist die ganze Reihe in \(\sigma\) enthalten. In der Theorie wohlgeordneter und überalldichter Reihen schließen sich die Verff. eng an G. Cantor an (“Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre. II.”, Math. Ann. 49, 207-246, 1897; F. d. M. 28, 61 (JFM 28.0061.*), 1897), nur nicht, wenn sie vom Zermeloschen Theorem sagen (“Beweis, daß jede Menge wohlgeordnet werden kann”. Math. Ann. 59, 514-516, 1904; F. d. M. 35, 88 (JFM 35.0088.*), 1904), daß das sogenannte “Zermelosche Axiom oder “Auswahlprinzip” einschließt, eine Menge könne wohlgeordnet werden, und in den Fällen, wo Cantor dieses Axiom annimmt. So wird dieses Axiom in allen bekannten Beweisen verlangt, daß die Grenze einer Progression (vom Typus \(\omega\) von Ordinalzahlen zweiter Klasse eine Ordinalzahl der zweiten Klasse ist (s. S. 170). In der Theorie der wohlgeordneten Reihen besteht oft keine Schwierigkeit, die Existenz gewisser wichtiger “multiplikativer Klassen” zu beweisen. Es mag sein, daß die in dem Gebrauch des Theorems (Zermelos Axiom) von vielen Mathematikern mit Einschluß von Cantor zur Schau getragene Zuversicht dieser Tatsache zuzuschreiben ist. Ordinalzahlen werden in Übereinstimmung mit dem Gebrauch von Cantor definiert; aber die Definitionen von Summen und Produkten gehen über das hinaus, was er gegeben hat. Summen von Ordinalzahlen sind Ordinalzahlen, aber Produkte einer Ordinalzahl von Ordinalzahlen sind im allgemeinen nicht Ordinalzahlen, wie Hausdorff und andere gezeigt haben. Das Produkt einer Ordinalzahl von Reihenzahlen (Ordnungstypen) ist eine Reihenzahl, und das Produkt einer Ordinalzahl (nicht Null) von Ordinalzahlen, die von Null verschieden sind, ist nicht Null, d. h. ein Produkt von Ordinalzahlen, in welchem die Anzahl der Faktoren eine Ordinalzahl ist, verschwindet nicht, wofern nicht einer der Faktoren verschwindet. Hier muß angemerkt werden, daß für Beziehungen im allgemeinen der entsprechende Satz das multiplikative Axiom erfordert. Die üblichen Beziehungen der Addition zur Multiplikation und der Multiplikation zur Exponentiation (Potenzierung), wenn die Summanden oder die Faktoren alle gleich sind, können ohne das multiplikative Axiom aufgestellt werden, vorausgesetzt, daß die Summanden oder die Faktoren Ordinalzahlen sind. Eine recht gründliche Erörterung des wohlbekannten, von Burali-Forti stammenden Axioms wird S. 73-80 gegeben. Die Verff. zeigen, daß es eine wohlgeordnete Reihe gibt, und daß die Reihe aller Ordinalzahlen dessen, was Russell einen gegebenen “logischen Typus” nennt, eine Ordinalzahl hat, die größer ist als jede der Ordinalzahlen des gegebenen Typus. Dies bildet die Lösung des Burali-Fortischen Paradoxons betreffs der größten Ordinalzahl. Es gibt keine größte Ordinalzahl in irgendeinem Typus, und alle Ordinalzahlen eines gegebenen Typus werden übertroffen durch Ordinalzahlen höherer Typen. Der nächste Abschnitt dieses Teiles beschäftigt sich mit der Unterscheidung von endlich und unendlich in Anwendung auf Reihen und Ordinalzahlen, die unterscheidenden Eigenschaften von endlichen Ordinalzahlen, die kleinste unendliche Ordinalzahl \(\omega\), gewisse besondere Ordinalzahlen und die Reihen der Cantorschen Alephs. Sätze in betreff der \(\aleph_\nu\) und \(\omega_\nu\), wo \(\nu\) eine induktive Kardinalzahl ist, können bewiesen werden; aber es gibt bislang noch keinen Beweis für die Existenz der Alephs und der Omegas mit unendlichen Zeigern; dies kommt von der Tatsache her, daß der logische Typus mit jedem Existenztheorem zunimmt, und daß unendliche logische Typen bedeutungslos zu sein scheinen. Die von der Kontinuität gegebene Definition ist die Cantorsche, und die Tatsache, daß die Dedekindsche Definition nicht der Cantorschen äquivalent ist, wird gut erwiesen.
Der Teil VI, “Quantität”, über die Theorie von Verhältnis und Maß, ist neu, obschon er eine Entwicklung der in dem fünften Buch von Euklid eingeführten und von Burali-Forti fortgeführten Entwicklung ist (Formulaire de Mathématiques 1, 28-57, 1895). Die folgenden Punkte sind im besonderen anzumerken: 1. Die Quantitäten werden in verallgemeinertem Sinn als “Vektoren” betrachtet, und deshalb werden Verhältnisse als zwischen Beziehungen bestehend angesehen. 2. Die Hypothese, daß die in irgendeinem Zusammenhange betroffenen Vektoren eine Gruppe bilden, die gemeiniglich bei solchen Untersuchungen zu einer ausgezeichneten gemacht ist, sinkt hier zu einer ganz untergeordneten Stelle hinab, weil sie zuweilen überhaupt nicht bestätigt wird, ein anderes Mal eine Folge fruchtbarerer Hypothesen ist. 3. Eine Theorie von Verhältnissen und reellen Zahlen wird entwickelt, die der Theorie des Maßes vorangeht und doch nicht rein arithmetisch ist, d. h. sie behandelt nicht Verhältnisse als bloße Paare ganzer Zahlen, sondern als Beziehungen zwischen wirklichen Größen wie zwei Entfernungen oder zwei Zeitabschnitten. 4. In der Theorie der “Vektorfamilien”, nämlich Familien solcher Art, auf welche irgendeine Form des Maßes anwendbar ist, wird ein recht ausgedehntes Gebiet ihrer Eigenschaften entwickelt, bevor Zahlen eingeführt werden; somit fließt die Theorie des Maßes aus der Verbindung zweier anderen Theorien, von denen die eine eine rein arithmetische von Verhältnissen und reellen Zahlen ohne Bezug auf Vektoren ist, die andere eine Theorie von Vektoren ohne Bezug auf Verhältnisse oder reelle Zahlen. 5. Im Hinblick auf theoretische Anwendungen ist ein besonderer Abschnitt den zyklischen Familien gewidmet, wie den Winkeln um einen gegebenen Punkt in einer gegebenen Ebene. Die in diesem Teile entwickelte Theorie des Maßes wird in dem nächsten Bande bei der Einführung der Koordinaten in die Geometrie erforderlich sein. Da der Zweck dieses Teils dahin geht, Arten der Anwendung von Zahlen zu erklären, die Messungen genannt werden können, so werden Verallgemeinerungen der Zahl zuerst betrachtet. Die bisher behandelten Zahlen sind Kardinal- oder Ordinalzahlen gewesen. In dem ersten Abschnitt des Teiles werden positive und negative ganze Zahlen, Verhältnisse und reelle Zahlen betrachtet. Komplexe Zahlen sind unter Geometrie mit zu behandeln, weil sie nicht eine eindimensionale Reihe bilden. Natürlich muß daran erinnert werden, daß in diesem Buch die Geometrie als eine rein logische Wissenschaft betrachtet wird und nicht notwendig etwas mit dem Raum unserer Anschauung zu tun hat. Die positiven und negativen ganzen Zahlen werden als gewisse Beziehungen definiert, und es wird nachgewiesen (S. 234), wie dies in Russells früheren Werken oft geschehen ist, daß eine positive ganze Zahl nicht verwechselt werden darf mit der entsprechenden und nahezu analogen vorzeichenlosen ganzen Zahl, die eine Klasse von Klassen ist. Bei den Theorien von Verhältnissen und reellen Zahlen muß man Russells früher erschienene “Principles of Mathematics” (F. d. M. 34, 62 (JFM 34.0062.*), 1903) vergleichen. Wie in dem früheren Werk werden die reellen Zahlen als “Segmente” der Reihen rationaler Zahlen definiert, damit man ihrer Existenz sicher ist (S. 220, 316). Eine zur Auswahl gestellte Definition der reellen Zahlen wird weiter vorgelegt. Die Definition von Verhältnissen ist andrerseits verschieden von der in dem früheren Werke und wird gründlich S. 260-315 behandelt. Die Eigenschaften von Verhältnissen erfordern verschiedene Existenztheoreme, und bei dem Aufstellen von Existenztheoremen ohne Annahme des “Axioms der Unendlichkeit” verlangt die Frage der logischen Typen ungemeine Sorgfalt. Eine bemerkenswerte Tatsache ist es, daß bei der Behandlung der Verallgemeinerung der Zahl große Schwierigkeiten bei der Frage der logischen Typen entstehen. Der nächste Abschnitt handelt von dem, was man “Arten” der Quantität nennen kann, so z. B. Massen, räumliche Abstände, Geschwindigkeit, jedes eine Form einer Art der Quantität. Jede Art der Quantität wird als eine Vektorfamilie angesehen, d. h. als eine Klasse eindeutiger Beziehungen, die alle denselben Umkehrbereich (converse domain) haben, und alle ihren Bereich in ihrem Umkehrbereich enthalten besitzen. An dem Ende dieses Abschnittes werden das archimedische Axiom und das Axiom der Teilbarkeit betrachtet. Der nächste Abschnitt befaßt sich mit dem Messen, d. h. mit der Aufdeckung von Verhältnissen oder der durch reelle Zahlen ausgedrückten Verhaltnisse zwischen den Gliedern einer Vektorfamilie. Eine Vektorfamilie ist meßbar, wenn sie ein solches Glied \(T\) (die Einheit) enthält, daß jedes andere Glied \(S\) eine Beziehung zu \(T\) hat, die entweder ein Verhältnis oder eine reelle Zahl ist. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den schon angeführten zyklischen Familien von Vektoren, und ein kleiner, aber interessanter Punkt ist der, daß hier das Werk sich mehr mit der gewöhnlichen Arithmetik tränkt, als bis dahin geschehen ist, und daß von da an die bis dahin gebrauchte explizite Bezeichnung für die Addition von Kardinalzahlen aufgegeben und dafür die gewöhnliche Bezeichnung eingesetzt wird.
Zuweilen ist es nötig, sich zu vergegenwärtigen, daß das vorliegende prächtige Werk sich nicht mit den Mitteln zur Entdeckung in der Mathematik befaßt, sondern mit der logischen Ableitung mathematischer Sätze durch rein logische Begründungen. Ohne Frage ist das Werk bei weitem das wichtigste, das in dieser Richtung erstanden ist; und die darauf verwendete Mühe und Gründlichkeit ist kaum glaublich. Sie wetteifern mit dem Sprühfeuer der leitenden Ideen dieses großen Werkes.