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Zur Theorie der Funktionen mehrerer komplexer Veränderlichen. Die unbeschränkten Reinhardtschen Körper. (German) JFM 62.0397.03

Die unbeschränkten Bereiche bieten in der Funktionentheorie mehrerer Veränderlichen hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber analytischen Abbildungen ein weit größeres Interesse als in der Funktionentheorie einer Veränderlichen. So gibt es hier im Gegensatz zur klassischen Theorie unbeschränkte Bereiche (sogar vom topologischen Typus der Hyperkugel), in denen es beliebig viele reguläre beschränkte und nicht konstante Funktionen gibt und die sich trotzdem nicht auf beschränkte Bereiche abbilden lassen. Weiterhin gilt in unbeschränkten Bereichen nicht mehr allgemein der Cartansche Eindeutigkeitssatz, nach welchem ein Automorphismus mit Fixpunkt bereits durch die linearen Glieder die Taylorentwicklung der Abbildungsfunktionen eindeutig bestimmt ist. Da dieser Satz ein wesentliches Hilfsmittel bei der Aufstellung der Automorphismen der beschränkten Bereiche bedeutet, ist man hier also weitgehend auf die Verwendung neuer Methoden angewiesen.
Die Verf. untersuchen hier systematisch die unbeschränkten eigentlichen und uneigentlichen Reinhardtschen Körper. Diese werden dabei in drei Klassen eingeteilt, je nachdem ob es in ihnen keine, eine und (im wesentlichen) nur eine oder wenigstens zwei (unabhängige) reguläre, beschränkte und nicht konstante Funktionen gibt. Wegen der Entwickelbarkeit einer in einem Reinhardtschen Körper regulären Funktion in eine Taylor- bzw. Laurentreihe ist diese Einteilung gleichbedeutend mit der folgenden: Der Bereich gehört zur Klasse \(M_1\) wenn in ihm kein Monom \(w^\alpha z^\beta\) (\(\alpha,\beta\) ganz, \(\alpha > 0\), \(\beta > 0\) oder \(\alpha\beta < 0\)) beschränkt ist, zur Klasse \(M_2\), wenn es ein und bis auf ganzzahlige Potenzen von diesem nur ein beschränktes Monom in ihm gibt, und zur Klasse \(M_3\), wenn wenigstens zwei beschränkte Monome \(w^\alpha z^\beta\), \(w^\gamma z^\delta\) mit \(\alpha\delta-\beta\gamma\neq 0\) in ihm existieren. Vom Standpunkt der Carathéodoryschen Metrik bedeutet diese Einteilung: In den Bereichen \(M_1\) ist die Metrik völlig entartet; in den Bereichen \(M_2\) entartet sie partiell und in den Bereichen \(M_3\) höchstens noch auf den Achsen. (Unter den Achsen sind bei der stets vorausgesetzten normierten Lage der Körper die Ebenen \(w=0\), \(z=0\) und die unendlich ferne Ebene zu verstehen.)
Da man sich bei der Untersuchung der Abbildungen auf Regularitätsbereiche beschränken kann, wird zunächst das folgende ganz allgemein gültige Regularitätskriterium bewiesen: Ein (eigentlicher oder uneigentlicher, beschränkter oder unbeschränkter) Reinhardtscher Körper ist dann und nur dann Regularitätsbereich, wenn sein “Bild” in der Ebene \(\omega= \log |w|\), \(\zeta= \log |z|\) euklidisch konvex ist und wenn er in bezug auf die Achsen, auf denen er innere Punkte besitzt, ein vollkommener Hartogsscher Körper ist.
Daß sich Bereiche der Klasse \(M_1\) und \(M_2\) nicht auf beschränkte Bereiche abbilden lassen, ist klar. Für die Bereiche \(M_3\) gilt folgendes “Beschränktheitskriterium”: Ein solcher Bereich ist dann und nur dann auf einen beschränkten abbildbar, wenn keine Achse ganz (bis auf isolierte Punkte) in ihm liegt.
Die Untersuchung der Automorphismen ergibt in großen Zügen folgendes Resultat:
Die Automorphismen aller Bereiche der Klasse \(M_1\) – abgesehen vom offenen Raum und den durch Herausnahme von \(w=0\) oder \(z=0\) oder beiden daraus entstehenden Bereichen, deren Automorphismen nicht angegeben werden -sind von der Form \(w'=aw\), \(z' = bz\), nur in einem Falle kommen noch Transformationen der Form \(w' =\frac aw\), \(z'=\frac bz\) hinzu. Daraus ergibt sich also nachträglich die Gültigkeit des Eindeutigkeitssatzes für die Automorphismen.
Alle Bereiche aus \(M_2\) gestatten nichtlineare Automorphismen. Der Eindeutigkeitssatz gilt nicht.
Bei den Körpern aus \(M_3\) wird zunächst für Transformationen, die auf einer Achse einen Fixpunkt haben, der Eindeutigkeitssatz bewiesen. Wegen des oben erwähnten Beschränktheitskriteriums brauchen hier nur noch solche Bereiche untersucht zu werden, die wenigstens eine Achse (bis auf isolierte Punkte) ganz enthalten. Ist der Körper eigentlich und enthält er beide Achsen \(w=0\), \(z=0\) bis auf die unendlich fernen Punkte, so läßt er als einzige Automorphismen die Reinhardtschen Drehungen zu \(\Bigl(\)eventuell kombiniert mit \(w' = az\), \(z'=\frac1aw\Bigr)\). Unter den einachsigen eigentlichen Bereichen lassen aber die Körper \(|w| < ae^{-b|z|^2}\) (\(a, b > 0\)) und nur diese noch nichtlineare, nichtmittelpunktstreue Automorphismen zu. (Diese Körper sind also in gewissem Sinne als die Analoga zu den Thullenschen Bereichen unter den beschränkten Körpern anzusprechen.) – Die Automorphismengruppe der uneigentlichen Bereiche von \(M_3\) ist, wenn man von den Reinhardtschen Drehungen absieht, stets eigentlich diskontinuierlich.

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References:

[1] Siehe H. Behnke und P. Thullen, Theorie der Funktionen mehrerer komplexer Veränderlichen, Erg. d. Math. u. i. Grenzgebiete. Berlin (1934). Im folgenden abgekürzt: B.-Th. Bericht.
[2] Siehe etwa die Zusammenstellung im B.-Th. Bericht, Kap. VII.
[3] Über einen Teil der Resultate dieser Arbeit siehe auch die Mitteilung d. Verf., Sopra le funzioni analitiche di più variabili complesse etc., Mem. Accad. d’Italia6 (1935). Ferner haben uns Herr Henri Cartan und Herr P. Thullen mitgeteilt, daß sie sich mit diesem Problem in letzter Zeit beschäftigt haben. · JFM 61.1162.03
[4] Siehe B.-Th. Bericht, Kap. VI und die Originalarbeiten von H. Cartan und P. Thullen.
[5] Die Automorphismen der beschränkten, eigentlichen Reinhardtschen Körper sind schon 1930 von P. Thullen untersucht, siehe P. Thullen, Die Invarianz des Mittelpunktes von Kreiskörpern, Math. Annalen104 (1931).
[6] Trivial nennen wir hierbei diejenigen Automorphismen, welche linear oder linear gebrochen in beiden oder jeder Variabeln für sich sind (also nicht bloß projektive).
[7] Siehe auch P. Thullen, Sur les domaines de méromorphie, Compt. Rend.199, S. 1016–1018 (Sitzung v. 12. Nov. 1934). · Zbl 0010.12402
[8] Siehe H. Behnke und E. Peschl, Die Konvexität in der Elementargeometrie und in projektiven Räumen, Semesterber., Münster i. Westf., Heft 5 (1934).
[9] Siehe H. Behnke und E. Peschl, Die Konvexität in der Elementargeometrie und in projektiven Räumen, Semesterber., Münster i. Westf., Heft 5 (1934) S. 440, Fußnote.
[10] Siehe H. Horstmann, Carathéodorysche Metrik und Regularitätshüllen. Math. Annalen108 (1933).
[11] Die folgende Überlegung ist eine Verallgemeinerung einer zuerst von Horstmann angewandten Methode, vgl. H. Horstmann, Zur Theorie der Funktionen mehrerer komplexer Veränderlichen usw., Diss. Münster 1932.
[12] –Siehe l. c.., S. 447.
[13] Siehe P. Thullen, Die Invarianz des Mittelpunktes von Kreiskörpern, Math. Annalen104 (1931), S. 249.
[14] Siehe H. Behnke, Die Abbildungen der Kreiskörper, Abh. Math. Sem. Hamburg. Univ. 7 (1929) und H. Cartan, l. c. Les fonctions de deux variables complexes etc., J. de Math. (9)10 (1931). S. 2.
[15] P. Thullen, Die Invarianz des Mittelpunktes von Kreiskörpern, Math. Annalen104 (1931). · Zbl 0001.02303
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