×

Ein Analogon zu Gauss’ Satz von der Krümmung der Flächen. (German) JFM 15.0631.02

Der Gauss’sche Satz lautet bekanntlich:
Umgiebt man den betrachteten Punkt \(P\) der Fläche \(F\) mit einem geschlossenen Curvenzug \(p\), und bildet dieselbe auf einer Kugel mit dem Radius 1 durch parallele Normalen in die geschlossene Curve \(p'\) ab, so ist der Grenzwert des Verhältnisses der von \(p'\) und \(p\) eingeschlossenen Flächenstücke, wenn sich \(p\) auf den Punkt \(P\) zusammenzieht, gleich dem Krümmungsmass 1 im Punkte \(P\).
Der analoge Satz, den der Herr Verfasser aufstellt, ist:
Wird die Curve \(p\) durch eine Kugel um \(P\) in die Fläche eingeschnitten, so ist die sogenannte mittlere Krümmung der Fläche in \(P\), nämlich der Ausdruck \[ \frac12\left(\frac{1}{R_1}+ \frac{1}{R_2}\right), \] der Grenzwert des Verhältnisses der beiden Perimeter der Curven \(p'\) und \(p\). Der Beweis ergiebt sich sehr einfach unter Anwendung einer von Steiner (ges. Werke Bd. II. S. 171) zuerst angewandten Betrachtungsweise. Denkt man sich zu einem unendlich kleinen Flächenstück \(F\) im Abstand \(+h\) im Sinne der positiven Normalen das parallele Flächenstück \(\overline{F}\), so ist \[ \frac{\overline{F}}{F}=\left(1+\frac{h}{R_1}\right)\left(1+\frac{h }{R_2}\right)\,. \] Betrachtet man andrerseits ein beliebiges Stück einer Oberfläche durch einen Teil einer Polyederfläche \(\varPi\) ersetzt, so besteht das entsprechende Stück der Parallelfläche \(\overline\varPi\) erstens aus einem der Fläche von \(\varPi\) gleichen Teile \(A\), zweitens liefert jede Innenkante einen cylindrischen Teil \(h\gamma\tau\), wo \(\gamma\) die Kantenlänge, \(\tau\) den Kantenaussenwinkel bedeutet; drittens jede Ecke einen Bestandteil gleich \(h^2(2\varPi-s)\), wo \(s\) gleich der Summe der Seiten der Ecke ist, also \((2\pi-s)\) der Inhalt der Polarecke. Sollten Randecken vorhanden sein, so hat man sich die beiden an den Rand stossenden Seitenflächen bis zu ihrer Durchschnittskante verlängert zu denken. Die Gesamtoberfläche von \(\overline\varPi\) wird demnach \[ A +h\textstyle\sum\gamma\tau+ h^2\sum(2\pi-s), \] wo die erste Summe über alle Kanten, die zweite über alle Ecken auszudehnen ist. Nennt man nach Steiner \(k = \sum\gamma\tau\) die Kantenkrümmung, \(e =\sum(2\pi-s)\) die Eckenkrümmung, so ist der Flächeninhalt von \(\varPi\): \[ A+hk+h^2e; \] \(e\) ist gleichbedeutend mit der Gauss’schen curvatura integra \(=f'\).
Wenn man nun zunächst das Polyeder durch Abstumpfung der Ecken in eine krumme Fläche übergehen lässt und dies Flächenstück sich auf einen Punkt zusammenziehen lässt, so wird der obige Ausdruck gleich \[ f\left(1+\frac{h}{R_1}\right)\left(1+\frac h{R_2}\right), \] also ist \(f=A\), \[ \frac kf=\frac 1{R_1}+\frac1{R_2}\,,\quad \frac ef=\frac {f'}{f}=\frac{1}{R_1 R_2}\,. \] Die letzte dieser Formeln liefert den Gauss’schen Satz. Denkt man sich das sehr kleine Flächenstück \(f\) durch einen Kegel ersetzt, dessen Scheitel in \(P\) liegt und dessen Mantel durch \(p\) begrenzt ist, so wird \(k = \sum\gamma\tau\), wo \(\tau\) den Contingenzwinkel zweier consecutiven Berührungsebenen des Kegels bedeutet, \(\gamma\) die Seitenlänge. Ist \(p\) durch eine Kugel ausgeschnitten, so ist \(\gamma\) constant, also \(k = \gamma\sum\tau\); dagegen ist \(f=\frac{\gamma^2}{2}\sum\varphi\), wo \(\varphi\) den Contingenzwinkel benachbarter Seiten des Kegels bedeutet. Es ist demnach \[ \frac kf =\frac{2\textstyle\sum\tau}{\gamma\sum\varphi}\,. \] Nun ist \(\sum\tau\) der Umfang der Gauss’schen Abbildung \(p'\), \(\gamma\sum\varphi\) dagegen ist der Umfang des Originalflächenstückes \(p\). Bezeichnet man diese Umfänge selbst mit \(p'\) und \(p\), so folgt \[ \frac kf = \frac{2p'}{p}\,, \] also \[ \frac {p'}{p} =\frac12\left(\frac 1{R_1} +\frac1{R_2}\right)\,. \] Es ist zu bemerken, dass bei negativem Krümmungsmass die Curve \(p'\) vier Spitzen erhält, und ihre Aeste abwechselnd positiv und negativ zählen.
PDFBibTeX XMLCite
Full Text: DOI EuDML