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Ueber diejenigen Punkte auf positiv gekrümmten Flächen, welche die Eigenschaft haben, dass die von ihnen ausgehenden geodätischen Linien nie aufhören, kürzeste Linien zu sein. (German) JFM 13.0578.01

In Jacobi’s “Vorlesungen über Dynamik”, herausgegeben von Clebsch, findet sich zuerst der Hinweis auf das verschiedene Verhalten der von einem Punkte ausgehenden geodätischen Linien auf verschiedenen Flächen, je nachdem dieselben sich noch einmal schneiden, oder nicht. Nur wenn sie sich nicht wieder schneiden, hören sie für keinen auf ihnen genommenen Endpunkt auf, Kürzeste im wahren Sinne des Wortes zu sein. Später ist von Christoffel u. A. bewiesen, dass auf negativ gekrümmten Flächen zwei unendlich nahe geodätische von einem Punkt ausgehende Linien sich nicht wieder schneiden können. Den Beweis des Herrn Christoffel reproducirt der Herr Verfasser, ebenso den elementareren, welcher sich in dem Lehrbuch der theoretischen Physik von Thomson und Tait (I. 234) angedeutet findet. Derselbe geht davon aus, dass auf einem einfach zusammenhängenden Flächenstück die Winkelsumme eines geodätischen \(n\)-Ecks gleich \((2n-4) \;R+C\) ist, wo \(C\) die curvatura integra des Polygons nach Hauss bezeichnet. Mithin ist diese Winkelsumme eines geodätischen Zweiecks gleich \(C\). Da dieselbe aber nicht negativ sein kann, so giebt es geodätische Zweiecke nur auf positiv gekrümmten Flächen, oder auf solchen, welche teils positiv, teils negativ gekrümmt sind. Dagegen giebt es keine auf negativ gekrümmten Flächen, sofern sie nicht mehrfach zusammenhängend sind, wie z. B. das einschalige Hyperboloid, und da zwei unendlich nahe geodätische Linien stets auf einem einfach zusammenhängenden Flächenstück verlaufend gedacht werden können, so schneiden sich unendlich nahe von einem Punkte ausgehende geodätische Linien auf negativ gekrümmten Flächen nie. Die Hauptaufgabe, welche sich der Herr Verfasser gestellt hat, ist nun die Untersuchung des Verhaltens positiver Flächen und zwar einfach zusammenhängender. Es ergeben sich dabei folgende Resultate: “Man kann auf jeder positiv gekrümmten Fläche zwei Arten von Punkten unterscheiden. Punkte erster Art sind so beschaffen, dass zwei von ihnen ausgehende unendlich nahe geodätische Linien sich nie zum zweiten Mal schneiden. Punkte zweiter Art dagegen sind solche, dass mindestens eine, oder gewisse, oder alle von ihnen ausgehende geodätische Linien mit der unendlich nahen einen zweiten Schnittpunkt haben.” Schliesst man Singularitäten aus, so zeigt sich, dass eine positiv gekrümmte Fläche nur dann Punkte erster Art enthalten kann, wenn ihre curvatura integra kleiner als \(4R\), also kleiner als die Halbkugel ist. Es muss demnach in diesem Falle die Fläche offen sein, wie das elliptische Paraboloid oder die eine Schale des zweischaligen Hyperboloids. Aber auch auf solcher Fläche sind die Punkte erster Art auf endliche Flächenstücke beschränkt; ausserhalb derselben liegen nur Punkte zweiter Art. Es kommt nun wesentlich auf die Aufsuchung der Curve an, welche diese beiden Flächen zweiten Grades gestaltet sich die Sache so: Auf einer Schale des einschaligen Rotationshyperboloids giebt es einen (reellen) Patallelkreis, innerhalb dessen die Calotte liegt, welche Punkte erster Art enthält, während die übrige sich in’s Unendliche ausdebnende Zone nur Punkte zweiter Art enthält. Lässt man nun durch Verkleinerung einer der beiden gleichen imaginären Axen das Hypernoloid in ein dreiaxiges übergehen, so schnürt sich der Bereich der Punkte erster Art lemniscatenartig zusammen, doch so, dass die Nabelpunkte immer im Inneren bleiben. Nach einer gewissen Fortsetzung der Deformation erhält die Lemniscate im Scheitel einen Doppelpunkt, um dann in zwei getrennte, die beiden Nabelpunkte umgebende Teile zu zerfallen. Lässt man das Hyperboloid in ein Paraboloid übergehen, so zieht sich der Bereich der Punkte erster Art auf die beiden Nabelpunkte, beim Rotationsparaboloid auf den Scheitel zusammen. Ueber die Durchführung der Betrachtung mögen folgende Andeutungen genügen: Sind \(u\) und \(v\) geodätische Polarcoordinaten, so ist das Bogenelement \(ds\) bestimmt durch die Gleichung \[ ds^2 =du^2 +m^2dv^2, \] wo \(m\) eine solche Function von \(u\) und \(v\) ist, dass für \(u=0\): \[ \text{lim.} \frac mu =\text{lim.} \frac {\partial m}{\partial u}=1, \] und in Bezug auf \(v \;m\) periodisch mit der Periode \(2x\) ist.
Dann ist \(u=0\) der Anfangspunkt \(A\), die Curven \(u=u_1\) sind die geodätischen Kreise mit den Radien \(u_1\), die Curven \(v=v_1\) sind die durch \(A\) gehenden geodätischen Centralen derselben, so dass \(v\) das Azimuth einer solchen darstellt. Nach bekannten Sätzen der Flächentheorie ist dann das Krümmungsmass \(k=-\frac 1m \frac {\partial^2m}{\partial u^2};\) die curvatura integra eines beliebigen Flächenstückes wird \(-\iint \frac {\partial^2 m}{ \partial u^2} du\; dv\), so dass diejenige eines unendlich kleinen geodätischen Sectors wird: \(dv\left [ 1-\frac {\partial m}{\partial u} \right ]_{u=u_1}\) und diejenige eines endlichen: \(\int_{v_0}^{v_1} dv \left (1-\frac {\partial m}{\partial u} \right )_{u=u_1} .\) Ist nun die Fläche durchweg positiv gekrümmt, so muss \(\frac {\partial^2 m }{\partial u^2}\) negativ sein, also \(\frac {\partial m}{\partial u}\) beständig abnehmen; d. h. \(\frac {\partial m}{\partial u}<1.\) Soll \(A\) ein Punkt erster Arrt sein, so darf \(m\) niemals Null werden; dies erfordert aber, wie leicht ersichtlich, dass \(\frac {\partial m}{\partial u}\) für irgend ein \(v\) mit wachsendem \(u\) einmal negativ, so muss \(m\) schliesslich Null werden, und der Punkt ist sicher von der zweiten Art. Nennt man nun den Wert \[ \int_{v_0}^{v_1} \left ( 1- \frac {\partial m}{ \partial u} \right ) _{u=\infty} dv \] die curvatura integra des Winkels \((v_1-v_0)\), so folgt, da für einen Punkt erster Art \(\left ( 1- \frac {\partial m}{\partial u} \right )<1\) bleibt, dass die curvatura integra eines Winkels stets kleiner ist als der Winkel selbst, also die curvatura integra des Winkels \(2\pi\) d. h. der ganzen FLäche kleiner als \(2\pi\) ist. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, können Punkte erster Art existiren. Der obige Satz bietet dann aber weiter die Handhabe zu dem Beweise, dass jedenfalls auch Punkte zweiter Art existiren müssen, und dass die erster Art nur ein begrenztes Gebiet einnehmen können. Um endlich die Grenze zwischen beiden Teilen der Fläche zu ermitteln, dient die Erwägung, dass für Punkte erster Art bei jedem Azimuth \(\frac {\partial m}{\partial u}\) eine feste Grenze zwischen Null und 1 erreicht, und dass diese für irgend ein Azimuth einen absoluten Minimalwert erlangt; dieser Minimalwert ist dann lediglich Function \(f(xyz)\) der Coordinaten des Punktes \(A\). Die Gleichung \(f(xyz)=0\) definirt also auf der Fläche die gesuchte Curve.
Die specielle Untersuchung der Flächen zweiten Grades geht von der Rotationsflächeaus, für welche die Untersuchung bereits in einer Arbeit des Herrn von Braunmühl durchgeführt ist (Clebsch Ann. XIV. 557-567. Ref. F. d. M. XI. 1879. 539 (JFM 11.0539.01)), wobei man auf elliptische Functionen geführt wird. Für dreiaxige Hyperboloide kommt man zwar im Allgemeinen auf hyperelliptische Integrale, wenn man aber von einem der Nabelpunkte ausgeht, gehen dieselben in elliptische über. Der Herr Verfasser nimmt an verschiedenen Stellen Bezug auf die citirte Arbeit des Herrn von Braunmühl, und macht beiläufig auf den scheinbaren Unterschied aufmerksam, der dadurch entsteht, dass in jener Arbeit die geodätischen Linien als durch’s Unendliche hindurch auf die andere Schale des Hyperboloids übergehend aufgefasst werden, worauf es in der vorliegenden Untersuchung nicht ankam; ausserdem weist er die Irrtümlichkeit einer Behauptung jener Arbeit nach, wie bereits in dem Referat über dieselbe erwähnt ist.

Citations:

JFM 11.0539.01
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